Der Religionswissenschaftler Bernhard Maier hat sich nicht weniger vorgenommen, als die Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis zum Fliegenden Spaghettimonster in weniger als 500 Seiten zu erzählen. Und das ist ihm zu meiner großen Freude und Überraschung auch gelungen. Bei diesem Umfang ist es natürlich klar, dass nicht alles in Detail gezeigt werden kann und dass der Schwerpunkt auf den großen Weltreligionen liegt, aber auch so gab es Zeit und Platz für kleinere Religionen, die in der Weltgeschichte nur eine kurze Episodenrolle bekommen haben, so für den eben erwähnten Fliegenden Spaghettimonster, aber auch für die Religion der Maya und Azteken.

Maier übernimmt dabei eine sehr zurückhaltende, neutrale Rolle, er bleibt unparteiisch, und zeichnet das Bild der Religionen aus dem Blickwinkel des außenstehenden Historikers. Das führt zu einem teilweise sehr trockenen Stil, bei dem das Geschehen einiger Jahrzehnte oder Jahrhunderte zu einer Aufzählung von Jahreszahlen und Namen wird, aber zum Glück passiert das nicht oft genug, um den Lust am Lesen zu nehmen. Gerade bei etwas kurioseren, kleinen Religionen oder der Geschichte vergangener Völker erzählt er auf eine ausgesprochen spannende Art und Weise. Trotzdem fehlte mir etwas.
In Maiers Darstellung hat die Entwicklung der Religionen in sehr großem Maße mit Politik zu tun, was sicherlich auch so ist, aber trotzdem sind es Menschen, die diese Religionen tragen, die sich bekehren lassen, die im Namen ihrer Religion im Laufe der Geschichte viel zu oft töten. Und ich weiß zwar jetzt, nach Beendigung des Buches, viel darüber, welche Religion sich wo entwickelt hat, wie sie sich verbreitet hat oder warum sie auf einmal ihre Bedeutung verloren hat. Ich weiß aber nicht, warum sich Menschen von diesem menschlichen Konstrukt hinreißen lassen. Da ich selber nie eine religiöse Erziehung erhielt, ist das eine Frage, die mich sehr stark beschäftigt. Für viele ist es natürlich, mit einer Religion aufzuwachsen, mit einem Glauben – und ich kann mir auch vorstellen, dass man das nicht unbedingt in Frage stellt, wenn man damit aufgewachsen ist. Aber was führt dazu, dass man bereit ist, gewalttätig zu werden, wenn andere zufällig eine andere Religion haben?
Aber ich möchte die Beantwortung dieser Frage nicht Bernhard Maier auftragen, er hat sich nicht diese Aufgabe gestellt. Seine Motivation war, nach 50 Jahren wieder ein Werk auf den Markt zu bringen, das einen Überblick über die Geschichte der Religionen bietet. Denn es ist genau so lange her, seit Trevor Ling 1968 sein Buch Die Universalität der Religionen veröffentlichte. Die Ordnung des Himmels füllt also eine Lücke, und soll dazu anregen, weiter zu lesen. Dafür bietet die ausführliche Bibliographie eine sehr gute Basis.
Auch wenn Noah Yuval Harari der Meinung ist, dass Religionskriege für unsere Zukunft keine große Rolle spielen (was durchaus stimmen kann, ich hoffe, dass er damit recht hat), haben Kriege, die auch gerade in diesem Moment geführt werden, sehr viel mit Religion zu tun. Wir alle sind davon berührt, spätestens dann, wenn in unserem Land Debatten zur Flüchtlingsfrage geführt werden. Maier versucht hier Klarheit zu verschaffen und nimmt des Öfteren Bezug auf heutige Geschehnisse. Er schafft damit ein klareres Bild der Gründe für die heutigen Konflikte, wobei er auch einräumt, dass nicht alles mit der Religion erklärt werden kann:
Eine wichtige Rolle spielen und spielten von jeher auch ethnische Unterschiede, gegensätzliche politische und wirtschaftliche Interessen, unterschiedliche Gesellschaftsformen, besondere geographische Lebensräume sowie ein Bewusstsein von historisch gewachsener Identität, das weit über den religiösen Bereich hinausgeht.
Die Ordnung des Himmels ist ein Buch, dass eine unglaubliche Menge an Wissen sehr verdichtet vermittelt und dabei den Wunsch nach noch mehr Wissen erweckt. Ich kann es jedem empfehlen, der mehr über die Entwicklung der Religionen, ihren Einfluss auf unsere heutige Zeit und generell über die Geschichte der Menschheit erfahren möchte. Es ist nicht immer leicht zu lesen, aber es lohnt sich.
An dieser Stelle möchte ich mich beim C.H. Beck Verlag ganz herzlich für das Rezensionsexemplar bedanken.
Impressum:
Autor: Bernhard Maier
Titel: Die Ordnung des Himmels
Seitenzahl: 576
Verlag: C.H. Beck
Erschienen: 2018
© Verlag C.H. Beck