Sabrina Janesch: Die goldene Stadt

Diese Geschichte schrie einfach danach, in einem Roman erzählt zu werden. Erst vor etwa zehn Jahren wurde es bekannt (hier ein damaliger Bericht), dass die sagenumwobene Inka-Stadt Machu Picchu von einem Deutschen wiederentdeckt wurde – 40 Jahre bevor Hiram Bingham, den man bisher für den Entdecker hielt, sie entdeckt hätte. Wer war dieser Deutscher? Wie ist er nach Peru gekommen? Darüber war wahrlich wenig bekannt. Als Sabrina Janesch 2012 über diese Geschichte erfuhr, fing sie zu recherchieren an, und so entstand Die goldene Stadt – eine Mischung aus Fiktion und Wahrheit, ein echter Abenteuerroman.

Augusto Berns hieß dieser Deutscher, oder wie er noch in Deutschland hieß, Rudolph August Berns. Er ist 1842 in Uerdingen geboren, wann er gestorben ist (und wo), wissen wir nicht, seine Spuren verlieren sich nach 1888. Was er bis dahin erlebt hat, ist teils gut belegt, die Autorin musste aber sicherlich etliche Lücken mit ihrer Fantasie füllen. Sie führt uns im Roman zurück in die Kindheit von Berns, und Fantasie ist auch das Stichwort, wenn es um den jungen Rudolph geht. Er verlor sich liebend gerne in Tagträume, die von damaligen Berichten großer Reisenden gefeuert wurden. Er hörte schon als Kind über das sagenumwobene El Dorado, die verlorene Stadt der Inka, die voll mit Gold war. Dabei interessierte ihn weniger das Gold (obwohl er nichts dagegen gehabt hätte, wohlhabend zu sein), es ging ihm um die Entdeckung und die Erkundung der Stadt. Er war klug und talentiert, eine traurige Wendung des Schicksals riss ihn aber aus Berlin und einer guten Schule fort, und er musste sich mit einem Leben in Solingen als Schlosser abfinden. Das konnte er aber nicht hinnehmen und bei der ersten Gelegenheit begab er sich auf ein Segelschiff und war auf dem Weg nach Peru.

Es ist ein spannender, unterhaltsamer Roman, ein Buch, das wenn es nach dem Leser ginge, nie enden sollte. An dieser Stelle möchte ich über die Handlung auch nicht mehr verraten, es sei nur so viel gesagt, dass Berns deutlich mehr in seinem Leben erlebt und geschafft hat, als „nur“ Machu Picchu zu entdecken. Dabei entwickelte er sich zu einem richtigen Hochstapler, zu einem Betrüger, der Weg bis dahin ist aber ein sehr ungewöhnlicher, ein schwerer, gleichzeitig aber auch schöner Lebensweg. Es ist die Geschichte eines Mannes, der jede Möglichkeit für ein gutbürgerliches Leben für sich hätte erschaffen können, der aber mehr für sich gewünscht hat und nie von seinen Träumen abließ. Und das ist das wirklich Faszinierende an Berns. Er gibt nie auf, er verfolgt seine Träume, die von anderen als Hirngespinste abgetan werden. Und das tut er am anderen Ende der Welt, weit weg von Familie und Freunden.

Rudolph hatte versucht, seinem Vater zu erklären, dass es immer und zu jedem Zeitpunkt eine unvorstellbare Anzahl von Möglichkeiten gab, aber schon nach einigen wenigen, unzusammenhängenden Sätzen hatte er aufgegeben. Eines aber war ihm klargeworden – wenn er jemals den Eindruck hätte, keine anderen Möglichkeiten mehr zu besitzen, dann würde er lediglich falsch denken. Dachte man richtig, sah man die anderen Versionen deutlich vor sich.

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Eine Denkweise, die nur zu beneiden ist. Menschen, die ihren Träumen nachgehen und sich nicht vorstellen können, aufzugeben, sind etwas Besonderes. Die meisten geben nach einigen Versuchen auf, stellen sich der „Realität“. Wenn man aber daran glaubt, dass alles möglich ist, dann kann man auch mal die verlorene Stadt der Inka wiederentdecken…

Dieser Roman offenbart aber gleich zwei erfolgreiche „Schatzsucher“. Sabrina Janesch hat mit ihrer Nachforschung eine Arbeit geleistet, die historische Fakten zur Welt gefördert hat. Das ist etwas, was von Schriftstellern nicht unbedingt erwartet wird, sie arbeitet jedoch eng mit Historikern zusammen und forschte so lange in Archiven nach, bis sie alles, was an Tatsachen zu finden war, zu Tage befördert hat. Eine bemerkenswerte Leistung, für mich ein Grund, mehr von ihr zu lesen. Das Buch war ein Highlight meines Lesejahres, ein sehr schöner Abschluss für 2018.


Diverses

An dieser Stelle möchte ich mich beim Rowohlt Berlin Verlag ganz herzlich für das Rezensionsexemplar bedanken.

Der erste Satz:

Mit rasendem Herz und Tintenflecken auf den Händen tritt Augusto Berns aus dem Portal des Hotel Maury.

Impressum:

Autor: Sabrina Janesch
Titel: Die goldene Stadt
Seitenzahl: 528
Verlag: Rowohlt Berlin
Erschienen: 2017
© Rowohlt Berlin Verlag GmbH

2 Kommentare zu „Sabrina Janesch: Die goldene Stadt

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