Cixin Liu: Jenseits der Zeit

Der abschließende dritte Teil von Cixin Lius Trisolaris-Trilogie hat zwar etwas auf sich warten lassen, das Warten hat sich aber gelohnt. Der erste Teil der Trilogie, Die drei Sonnen, hat es mir noch nicht so sehr angetan – die Grundidee fand ich zwar faszinierend, die Ausführung aber weniger gelungen. Dafür hat mir der zweite Teil, Der dunkle Wald ausgesprochen gut gefallen, und der chinesische Autor hat mich diesmal auch sprachlich überzeugt. Das ist mit Sicherheit zu einem großen Teil auch der Übersetzerin, Karin Betz zu verdanken, die auch Jenseits der Zeit (und auch Erzählungen von Cixin Liu) wunderbar ins Deutsche übersetzt hat. Ich muss sie gleich hier am Anfang erwähnen, weil das eine unglaubliche Leistung ist, die sie mit diesen Übersetzungen vollbracht hat. Übersetzer werden oft vergessen, dabei können sie sehr viel dafür, wie ein Werk in einer anderen Sprache wahrgenommen wird.

Wer die beiden ersten Teile nicht gelesen hat, sollte ab hier bitte nicht weiterlesen – ich versuche zwar immer ganz und gar spoilerfrei zu schreiben, trotzdem kann es in so einem Fall passieren, dass ich etwas erwähne, was den Lesespaß verdirbt, insofern man die Bücher noch nicht gelesen hat.

Der zweite Teil der Trilogie brachte der Menschheit die Erkenntnis, dass das Weltall einem dunklen Wald ähnelt. Es ist beängstigend, unheimlich, tödliche Gefahren lauern hinter jedem Baum. Diese Erkenntnis hatte auch etwas Positives, denn der Wandschauer Liu Ji konnte mit einem klugen Zug die Trisolarier davon abhalten, die Menschheit auszurotten und die Erde zu erobern. Es kam zu einem Waffenstillstand. In Jenseits der Zeit gehen wir zunächst ein Stück in der Zeit zurück und erfahren über einen Plan, den sogenannten Treppenplan, der einen Menschen zu den Trisolariern bringen will. Und lernen dabei die junge Raumfahrtingenieurin Cheng Xin kennen, die die Hauptfigur in diesem Roman ist. Cixin Liu verwendet auch hier wieder oft den Kälteschlaf, um Figuren in der Zeit nach vorne zu transportieren, sodass wir auch dann einige wenige bekannten Konstanten haben, wenn sich die Welt gerade wieder einmal völlig verändert hat.

Als das Leben aus dem Wasser an Land ging, war das ein Meilenstein der Evolution, doch die Fisch, die aus dem Meer gestiegen waren, waren danach keine Fische mehr. Wenn der Mensch wirklich den Weltraum erobert und sich vom Leben auf der Erde befreit, ist er kein Mensch mehr.

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Zunächst scheint jedoch alles in Gleichgewicht zu sein. Die Trisolarier halten sich an die Vereinbarung. Sie greifen nicht an und teilen ihr technologisches Wissen mit den Menschen. Sie sind sogar von den Menschen so sehr angetan, dass sie auch künstlerisch tätig werden, etwas ganz Neues für sie. Dieses erzwungene Gleichgewicht der Kräfte dauert jedoch nicht ewig, Luo Ji wird immer älter und als Schwerthalter ist er dafür zuständig, die Trisolarier in Schach zu halten. Solange diese nämlich glauben, dass der Friedensbruch unweigerlich dazu führt, dass die Koordinaten ihres Planeten ins Weltall hinausgeposaunt werden, halten sie sich an die Spielregeln. Sollten sie aber diese Bedrohung nicht mehr ernst nehmen, wird sie nicht mehr davon abhalten, die Erde zu erobern. Als ein neuer Schwerthalter gewählt wird, sehen die Trisolarier ihre Zeit gekommen…

Der Roman hat ein deutlich schnelleres Tempo als die Vorgänger, und als der Menschheit plötzlich eine völlige Auslöschung bevorsteht, wird er richtig spannend. Dabei spielen die Trisolarier nur bis ungefähr die Hälfte des Buches eine entscheidende Rolle. Und genau das zeigt, dass es Cixin Liu gar nicht darum ging, die erste Begegnung mit Außerirdischen zu beschreiben, er wollte viel mehr: er wollte eine Geschichte der Menschheit erzählen. Seine Fantasie kennt keine Grenzen. Er bringt uns mal in eine vierdimensionale Welt, mal viele tausende Jahre in die Zukunft. Und auch wenn er mal gesagt haben soll, dass es ihm um die technologische Entwicklung geht und nicht um philosophische Fragen, stimmt er den Leser nachdenklich. Er kehrt immer wieder zu einem seiner Lieblingsvergleiche zurück, die Menschen als Ameisen. Und gibt ans Ende angelangt eine positive Antwort darauf, ob wir winzig kleine Ameisen eine Spur von uns in der Welt hinterlassen können.

Die Trilogie ist Science-Fiction vom Feinsten, und wird irgendwann mit Sicherheit zu den Klassikern des Genres gehören.


Diverses

An dieser Stelle möchte ich mich beim Bloggerportal ganz herzlich für das Rezensionsexemplar bedanken.

Weitere Meinungen zum Buch:

Myriade

Meine Kritiken

Belana Hermine

Letusreadsomebooks

Der erste Satz:

Eigentlich sollte es Geschichte heißen, doch da die Verfasserin sich ausschließlich auf ihr Gedächtnis verlassen muss, mangelt es diesen Aufzeichnungen an historischer Genauigkeit.

Impressum:

Autor: Cixin Liu
Titel: Jenseits der Zeit
Übersetzung aus dem Chinesischen: Karin Betz
Seitenzahl: 992
Verlag: Heyne
Erschienen: 2019
© Wilhelm Heyne Verlag

4 Kommentare zu „Cixin Liu: Jenseits der Zeit

  1. Liebe Esther,

    diesen Autor habe ich auch schon im Auge. Ich verfolge auf einigen Blogs seine Bücher und habe immer größere Lust sie zu lesen.
    Ich lese hin und wieder Sci-Fi und bin für jeden Tip dankbar. Es ist in diesem Genre nicht so leicht, richtig gute Geschichten zu finden, so mein Empfinden.
    GlG, monerl

    1. Danke für deinen Besuch, Monerl! 🙂
      Bei mir war es ähnlich, ich habe immer wieder von Cixin Liu gehört und bin neugierig geworden. Als Erstes habe ich eine Erzählung von ihm gelesen (damit ich nicht gleich 600+ Seiten zu lesen habe), Spiegel ist der Titel. Die hat mir sehr gut gefallen und seitdem habe ich alles von ihm gelesen, was auf Deutsch erschienen ist.
      Ich wage mich also auch vorsichtig heran 🙂
      Liebe Grüße
      Eszter

  2. Liebe Eszter !

    Einen interessanten Blog betreibst du da ! Viele der Bücher, die ich hier sehe, habe ich auch gerne gelesen und daher freue ich mich auf weitere Anregungen. Das Layout deiner Artikel gefällt mir auch sehr gut.
    herzliche Grüße aus Wien

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