Annu führt ein einfaches, aber nach ihrer eigenen Aussage befriedigendes Leben in einem kleinen Dorf mit nur 87 Einwohnern. Ihr bester Freund seit der Schulzeit, Lars wohn mit Frau und Kind gleich in ihrer Nähe. Er versucht sie zwar immer wieder mit Kollegen und Bekannten zu verkuppeln, Annu träumt jedoch von der großen, romantischen Liebe, die ihre Eltern, den finnischen Sportreporter Matti und die Sportlerin Marie zusammengeführt hat. Nach ihrem Studium ist sie ins Dorf zurückgekehrt und lebt nun seit einigen Jahren, nachdem ihre Eltern beide sehr früh verstorben sind, allein im Haus und lebt von Übersetzungen.
Ein ruhiges, nahezu idyllisches Leben, bis ein Unfall alles ändert. Danach ist alles anders: von den Dorfbewohnern wird sie geschnitten, ihre Freundschaft zu Lars scheint vorbei zu sein. Und da taucht ein Schaf auf, das einzige Lebewesen (mit Ausnahme eines freundlichen Sanitäters), das anscheinend Lust auf ihre Gesellschaft hat. Da das Schaf immer wieder zu ihr zurückkehrt, nennt sie es kurzerhand Bumerang.
Nina Sahm kann beneidenswert gut erzählen. Das Buch lässt sich in wenigen Stunden verschlingen, und als am Anfang Schlag auf Schlag kommt, ist es nicht nur spannend, es stimmt auch nachdenklich. Die Autorin schafft eine Situation, für deren Lösung es kein Rezept gibt. Ein Kind wird verletzt, eine große Freundschaft steht auf der Kippe. Wie wird Annu diese Aufgaben lösen?

Die Antwort darauf ist fällt leider viel zu einfach auf. Die Hauptfigur der Geschichte bleibt meist passiv und lässt andere auf sie zugehen. Sie schreibt Briefe, sie telefoniert, macht selber aber nie einen Schritt auf andere zu. Und das scheint zu funktionieren, denn am Ende ist wie durch ein Zauber alles wieder gut. Die Freundschaft ist wiederhergestellt und sie hat sogar die große Liebe gefunden, von der sie geträumt hat.
Es ist eine leichte, für meinen Geschmack viel zu leichte Lektüre, ohne wahren Tiefgang. Konflikte werden nicht gelöst, es wird ihnen aus dem Weg gegangen. Die spannende Schuldfrage, die sich am Anfang der Geschichte stellt, wird nie richtig ausdiskutiert. Es gibt mehrere Figuren, die zwar mit Liebe gezeichnet sind und die der Leser schnell ins Herz schließt, sie sind aber wie Theaterfiguren, sie sind mal auf der Bühne, und dann sind sie weg, wie für immer.
Für eine kurzweilige Sommerlektüre ist dieses Buch ideal, die knapp 240 sind schnell gelesen. Die finnischen Redewendungen, die sonderbaren Eigenheiten von Lars, die tierische Freundschaft zwischen Bumerang und Helsinki werde ich sicherlich noch eine Weile in Erinnerung behalten. Es ist nur schade für die vertane Chance, aus der wirklich interessanten Ausgangssituation mehr auszuholen, die Konflikte nicht zu scheuen.
Diverses
An dieser Stelle möchte ich mich bei LovelyBooks ganz herzlich für das Rezensionsexemplar bedanken, das ich als Teilnehmer einer Leserunde erhalten habe.
Der erste Satz:
Annu hatte das Fenster geöffnet und lehnte sich nach draußen, sie atmete die kalte Luft ein und ließ dann kleine weiße Atemwölkchen durch den Garten wandern, so wie sie es als Kind von ihrem Vater gelernt hatte.
Impressum:
Autor: Nina Sahm
Titel: Die Tage mit Bumerang
Seitenzahl: 240
Verlag: hanserblau
Erschienen: 2019
© hanserblau in der Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG