Samantha Cristoforetti: Die lange Reise

Rezension Samantha Cristoforetti Die lange Reise

„Ich bin für eine Weile nicht auf dem Planeten. Im Mai 2015 kehre ich zurück. Leider werde ich Ihre Nachricht nicht lesen können.“

Seite 277

Seit ihrer Jugend träumt die Italienerin Samantha Cristoforetti davon, einmal ins All zu fliegen. Diesen Traum verdankt sie unteren anderem meiner Lieblingsserie: Star Trek. 1995 ist sie zu einem Schulaustauschjahr in den USA, und zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie einen Ableger der Serie, Voyager, von Anfang an im Fernsehen erleben. Beeindruckt ist sie dabei auch von der Tatsache, dass das Raumschiff einen weiblichen Kapitän hat und dass diese Frau eine Wissenschaftlerin ist. Dies ist jedoch nur einer der vielen kleinen Wegweiser, die letztendlich dazu führen, dass sie sich 2009 als Astronautin bei der ESA bewirbt.

Samantha Cristoforetti in Star Trek Uniform auf der ISS
(Image: © @astrosamantha/Twitter)

Und sie erfüllt alle Voraussetzungen für den Erfolg: Sie hat Luft- und Raumfahrttechnik an der TU in München studiert, ist Kampfpilotin, in der Ausbildung zum Testpiloten. Sie spricht mehrere Sprachen, neben Deutsch, Englisch und Französisch auch Russisch. Mit 32 Jahren ist sie zwar etwas zu jung, aber so eine Möglichkeit ergibt sich selten, und anstatt zu warten, ergreift sie sie. Für mich als Außenstehende ist sie die perfekte Astronautin, das Buch jedoch, das ich in meiner Hand halte, und in dem sie ihren Weg ins All erzählt, zeigt das Bild einer Frau, die zwar ihren Fähigkeiten bewusst ist, es aber auch immer wieder betont, wie viel Glück sie dabei auch hatte. Ja, sie hat immer davon geträumt, ins All zu reisen, und sie hat schon sehr früh damit angefangen, für diesen Traum hart zu arbeiten – aber ohne Glück hätte sie vielleicht nie 200 Tage auf der ISS verbringen können.

Ich denke, es wäre gut, die Rolle, die das Glück im Leben unweigerlich spielt, wieder anzuerkennen, damit wir sowohl auf die, die ihre Träume verwirklichen, mit angemessener Bewunderung schauen, wie auch auf jene, die sie mit würdevoller Anstrengung verfolgen. Denn auch wenn die Umstände nicht günstig sind, gibt es Engagement, das Früchte trägt. Wer jeden Tag motiviert ist, das Beste von sich zu geben, die mühsamsten Wege zu gehen, wohl wissend, dass dies eine Chance zur eigenen Entfaltung ist, hat bestimmt eher die Möglichkeit, ein erfülltes Leben zu führen. Selbst dann, wenn der Traum, der den Anstoß zu diesem Engagement gegeben hat, sich nicht umsetzen lässt.

Seite 415

Das Buch ist eine Mischung aus tatsächlichen Tagebucheinträgen und späteren Ergänzungen. Sie erzählt vom Auswahlprozess, bei dem sie gegen 8400 Bewerbern ins Rennen ging und letztendlich als einzige Frau unter sechs neuen Astronauten ausgewählt wurde. Dann über die Jahre der Ausbildung und der Unsicherheit, wann es denn soweit ist, dass sie einen Raumschiff besteigen kann. Und als es dann soweit ist, über ihren Flug zur ISS und die Monate in Schwerelosigkeit.

Mich hat dieses Buch vollends begeistert. Ihr Leben ist so sehr anders als das, was ich sonst aus meiner Umgebung kenne. Die meisten von uns gehen morgens arbeiten und kehren am Abend zurück. Zwischendurch wird mal eingekauft, Sport gemacht, vielleicht mal ein Kino besucht… Währenddessen gibt es Menschen, wie Samantha Cristoforetti, die zehnmal im Jahr um die halbe Welt reisen, sich auf hoffentlich nie eintreffende Notfällte vorbereiten, in tiefen Becken mit Tauchausrüstung den Spacewalk üben. Fazit: Der Alltag eines Astronauten ist auch dann faszinierend, wenn dieser noch nicht einmal im All gewesen ist.

Ich wünsche Samantha Cristoforetti noch weitere Möglichkeiten, ins All zu reisen, und hoffe sehr, ihr bald auf der Frankfurter Buchmesse persönlich zu begegnen. Und ihrem Buch wünsche ich ganz viele Leser – auch weil die Autorin die Erlöse aus dem Verkauf an UNICEF spendet.


Diverses

Herzlichen Dank an dieser Stelle an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.

Der erste Satz:

Wir sind ein Feuerball, der auf die Erde stürzt, eine glühende Wunde in der dünnen Atmosphäre, die den Planeten umhüllt.

Impressum:

Autor: Samantha Cristoforetti
Titel: Die lange Reise. Tagebuch einer Astronautin
Übersetzung aus dem Italienischen: Christine Ammann und Walter Kögler
Seitenzahl: 495
Verlag: Penguin
Erschienen: 2019
© Penguin Verlag

2 Kommentare zu „Samantha Cristoforetti: Die lange Reise

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.