Bisher habe ich nur Homo Deus von Harari gelesen, und es hat mir gut gefallen. Es war interessant und inspirierend zugleich. Trotzdem fiel es mir schwer, sein neustes Buch in die Hand zu nehmen, erst nach über einem Jahr Herumschleichen habe ich das nun endlich getan. So lange zurückgehalten hat mich in erster Linie der Titel des Buches. Lektionen für die kommenden Jahrzehnte erteilen zu wollen? Das finde ich auch jetzt, nachdem ich das Buch gelesen habe, viel zu reißerisch und hochnäsig. Nur weiß ich jetzt, dass Harari in diesem Buch letztendlich keine Lektionen erteilt.
Wie dieser Titel entstanden ist, kann man nicht wissen. Vielleicht erst durch den Verlag ausgedacht? Oder war das von Anfang an eine Idee von Harari? Für letzteres spricht für mich, dass 21 Kapitel einfach zu viel sind. Während der Anfang richtig gut geschrieben ist – es geht um die technologische Herausforderung, der wir uns in den nächsten Jahrzehnten, beziehungsweise bereits heute stellen müssen, driftet das Buch mit jedem neuen Kapitel weiter ab. Spätestens als Harari die Geschichte von Der König der Löwen (ja, des Disney-Streifens) nacherzählt, hat man das Gefühl, dass ihm der Stoff ausgegangen ist. In einem Kapitel geht es um Science-Fiction, das – wenn man Harari glaubt – ausschließlich aus Filmen besteht, eine Literatur gibt es in diesem Genre nicht. Auch hier taucht ein Film aus dem Hause Disney auf und wir erhalten die Nacherzählung von Inside Out. Im letzten, abschließenden Kapitel kommt dann als Antwort auf alle Fragen eine Abhandlung über die Meditation.
Verwirrt ist vielleicht das beste Wort, das am Ende des Buches angelangt, meine Gefühlslage am besten beschreibt. Was wollte mir Harari mit 21. Lektionen für das 21. Jahrhundert sagen? Seine Gedanken zu KI fand ich interessant, wenn auch nicht revolutionär (zum Thema kann ich Maschinen wie ich von Ian McEwan wärmstens empfehlen). Hier spricht er wirklich darüber, was die Zukunft bringen könnte und wie wir uns darauf vorbereiten können. Dann geht’s weiter zu Politik, wobei es irgendwie weniger um die Zukunft, sondern um unsere Geschichte geht. Da sich die Geschichte aber immer wiederholt, ist das tatsächlich die wichtigste Lektion, die wir lernen sollten.
Allerdings sind diese, und auch die weiteren Themen, wie Religion, Migration, Krieg, Terrorismus, um nur einige zu nennen, viel zu umfangreich, um auf nur wenigen Seiten befriedigend besprochen zu werden. Das führt dazu, dass Harari versucht, alle seine Gedanken zum jeweiligen Thema auf 10-15 Seiten komprimiert wiederzugeben. Und das gibt weder dem Leser die Zeit, diesen Gedanken zu folgen, noch ist es diesen Themen gerecht. Denn alles scheint sich aktuell um diese Fragen zu drehen. Und es ist ohne Zweifel, dass sie unsere Gegenwart und Zukunft maßgeblich beeinflussen. Harari wird hier auch sich selbst nicht gerecht, denn diese Themen scheinen ihm persönlich auch wichtig zu sein. Ich hoffe, dass er sich in kommenden Büchern diesen Themen noch einmal widmet und sie detaillierter ausführt.
Insgesamt ist es ein wichtiges Buch, allerdings mit einigen Schwächen. Aber maßgeblich ist erstmal, dass wir darüber nachdenken, in welche Richtung wir gehen, welche Ströme und in welche Richtung treiben, und was wir aus unserer Vergangenheit lernen können, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein. Es ist keine leichte Aufgabe, die Harari auf sich nimmt, uns den Weg zu weisen. Dass er diese Aufgabe auch nicht ganz erfüllen kann, liegt bereits in der Aufgabenstellung selbst. Trotzdem ist es ein Buch, das man lesen sollte – und danach sollte man sich seine eigenen Gedanken machen.
Diverses
Meine Bewertung:
Der erste Satz:
In einer Welt, die überflutet wird von bedeutungslosen Informationen, ist Klarheit Macht.
Impressum:
Autor: Yuval Noah Harari
Titel: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert
Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Wirthensohn
Seitenzahl: 459
Verlag: C.H. Beck
Erschienen: 2018
© Verlag C.H. Beck oHG