Benjamin Quaderer: Für immer die Alpen

Quaderer Für immer die Alpen

Benjamin Quaderer hat für seinen ersten Roman einen besonderen Stoff gefunden. Die Grundlage seines Buches bildet die wahre Geschichte von Heinrich Kieber. Der Name mag bekannt klingen, er ist oft in den Nachrichten gewesen: Kieber stahl sensible Daten aus einer liechtensteiner Bank und verkaufte diese an mehrere Länder, so auch an Deutschland. Eine Sternstunde der Steuerfahndung, denn alleine in Deutschland flogen 1400 Steuerbtrüger dank dieser Daten auf. Gleichzeitig markierte der Datenverkauf auch das Ende der Steueroase auch bekannt als Liechtenstein. Die Geschichte lässt sich in zahlreichen Artikeln nachlesen, oder im Film „Heinrich Kieber – Datendieb“ anschauen. Auch der heute im Zeugenschutz lebende Kieber blieb nicht stumm und veröffentlichte seine Version der Geschichte im Buch „Der Fürst. Die Daten. Der Dieb.“.

Geschichte und Hauptfigur sind wie einem Roman entsprungen, es war also nur eine Frage der Zeit, bis jemand tatsächlich einen Roman daraus gesponnen hat. Das Material ist jedoch so komplex, und so unglaublich, dass daraus kein einfacher Roman werden konnte. Während also Quaderer auf der einen Seite aus einer Fülle von unglaublichen Ereignissen schöpfen konnte, musste er auf der anderen Seite einen Weg finden, etwas Neues zu sagen und dieses Neue auf eine besondere Art zu erzählen. Und ich denke, das hat er mit einigen Abstrichen auch geschafft.

Vieles im Roman „Für immer die Alpen“ entspricht den wahren Geschehnissen, auch wenn die Namen geändert wurden, so wird einiges sogar wörtlich aus vorhandenen Dokumenten und anderen Schriften übernommen. Quaderer geht zurück zum Anfang und rollt die Geschichte vom Geburt Kiebers – oder wie er im Roman heißt, Johann Kaisers auf. Der Vater lernt bei einem Urlaub seine spätere Frau kennen. Das Ehepaar lebt in Liechtenstein und bekommt nach den Zwillingsmädchen bald auch einen Jungen, Johann. Doch die Ehe funktioniert nicht, die Mutter kehrt nach Spanien zurück und der Vater gibt die Kinder an das einzige Kinderheim Liechtensteins ab. Das Heim bekommt oft Besuch von Fürstin Gina, die bald eine besondere Beziehung zu Johann aufbaut.

Der Junge kämpft von Anfang an mit seiner Identität. Er wächst praktisch als Waise im Heim auf, sein Vater wohnt jedoch unweit im alten Familienhaus. Verlassen von der eigenen Mutter, umgarnt von der Fürstin des Landes. Als er sich auf die Suche nach seiner Mutter macht, landet er dank unerwarteter Ereignisse in einer elitären Schweizer Schule in Barcelona. Aus dem Waisen Johann Kaiser wird kurzerhand der Sohn der Familie Hilti (ja, die mit den Bohrern). Lüge und Wahrheit vermischen sich spätestens ab diesem Punkt unzertrennlich in seinem Leben.

Quaderer erzählt die unglaubliche (und doch so wahre) Geschichte mittels unterschiedlichster literarischer Formen, zum Großteil aus der Sicht der Hauptfigur. Wie Kieber, so hält auch Kaiser daran fest, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Und wenn er mal unsicher ist, wie sich etwas vorgetragen hat, dann befindet sich die eigentliche Geschichte plötzlich kleingedruckt in den Fußnoten. E-Mails und Briefe werden zitiert, in denen Namen und andere sensible Daten geschwärzt werden. Zeugen kommen zu Wort, aber vertrauen und glauben sollte man hier niemandem. Am wenigsten wohl dem Erzähler.

Dass dieses Buch die Leser spaltet, ist kein Wunder. Der häufige Wechsel zwischen Schreibweisen kann verwirrend und auch zu viel sein. Mich hat das Buch sehr gut unterhalten, ich fand es großartig geschrieben, wenn ich auch nicht immer unterscheiden konnte, was vom Leben und was von Quaderer stammte. Ich habe mich im Vorfeld mit Heinrich Kieber befasst, habe sogar Teile seines Buchs gelesen, und fand Quaderers Roman vielleicht gerade deshalb so unterhaltsam. Auch wenn ich deutlich weniger Recherche betrieben habe, als er, habe ich doch ganz gut feststellen können, wo er vom „Original“ abgewichen ist. Ob dieses Vorwissen zum Verständnis notwendig ist, kann ich nun schwer beurteilen – an dieser Stelle kann ich nur darlegen, wie ich das Buch gelesen habe.

Es ist ein starkes Debüt, es lässt aber die Frage offen, wie Quaderer schreibt, wenn sein Grundstoff nicht so viel hergibt.


Diverses

Herzlichen Dank an dieser Stelle an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.

Meine Bewertung:

Bewertung: 4 von 5.

Der erste Satz:

Mein Name war einmal Johann Kaiser.

Impressum:

Autor: Benjamin Quaderer
Titel: Für immer die Alpen
Seitenzahl: 592
Verlag: Luchterhand
Erschienen: 2020
© Luchterhand Literaturverlag

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