Robert Merle: Madrapour

Robert Merle Madrapour

Fünfzehn Passagiere sind an Board eines Flugzeugs auf dem Weg von Paris nach Madrapour. Jeder von ihnen sucht etwas anderes in diesem mysteriösen Land. Erholung, neue Geschäfte (ob legaler oder illegaler Art) oder ein erotisches Abenteuer. Bereits beim Abflug läuft nicht alles so, wie man es bei Flugreisen gewohnt ist. Unser Erzähler findet den Flughafen absolut verlassen vor, sein Gepäck wird sehr wahrscheinlich nie eingecheckt. Die Stewardess nimmt den Passagieren ihre Pässe und ihr Bargeld ab. Der Captain lässt nicht von sich hören, keine nette Begrüßungsworte, keine Fluginformationen. Die Passagiere sitzen in einer ungewöhnlichen Ordnung, ihre Sitze sind in einem Kreis aufgestellt. Langsam lernen sich alle ein wenig kennen, es gibt erste Gegensätze, Konflikte, aber grundsätzlich will jeder einfach nur die fünfzehn Stunden Flugzeit hinter sich bringen und in Madrapour ankommen. Doch unterwegs werden sie von Luftpiraten ausgeraubt. Bald stellt sich heraus, dass niemand im Cockpit sitzt, das Flugzeug wird ferngesteuert. Und ihr Ziel, Madrapour, soll es gar nicht geben. Wohin geht die Reise? Wer steuert die Maschine und lenkt somit das Schicksal der Passagiere?

Die Reisegesellschaft besteht aus den unterschiedlichsten Charakteren. Der Erzähler ist ein Linguist, der fünfzehn Sprachen spricht und sich auf dern ersten Blick in die Stewardess verliebt. Es gibt einige Witwen, einen CIA-Agenten, einen vermeintlichen Drogenhändler, eine Madame aus einem Pariser Bordell, Geschäftsleute, zwei Inder, einen Diplomaten und einen Deutschen, dessen Beruf unbekannt ist, er wird durch seine Homosexualität charakterisiert. So unterschiedlich sie auch sind, mit Ausnahme der Inder ist keiner von ihnen bereit, das Flugzeug vorzeitig zu verlassen. Obwohl das Ziel und die Dauer ihrer Reise unbekannt sind, harren sie aus, so lange es geht. Die Inder hingegen sprechen davon, das „Rad der Zeit“ verlassen zu wollen und tun es auch.

Diese Reise bekommt einen weitestgehend symbolischen Charakter. Fragen zu Leben und Tod, Schicksal und Glauben tauchen auf. Die Antworten fallen unterschiedlich aus, doch letztendlich haben die Passagiere unabhängig von ihren Ansichten kaum die Freiheit, selbst eine Wahl zu treffen. Robert Merles Roman aus dem Jahr 1976 wirkt wie ein Kammerspiel. Unsere Bühne ist der Passagierbereich des Flugzeugs, die Protagonisten nehmen in einem Kreis Platz und mit wenigen Ausnahmen findet alles innerhalb dieses Kreises statt. Private Unterhaltungen gibt es somit nicht, alles wird vor den anderen und so auch vor dem Publikum gesprochen. Das Licht wird mal auf die eine, mal auf die andere Gruppe geworfen, wobei sich die Gruppierungen, die Fronten zwischen den Reisenden hin und wieder sich auch verschieben. Es ist ein absurdes Theaterstück, mit viel Drama und Spannung, aber auch mit philosophischen Debatten und Ausführungen.

Es braucht etwas Zeit, bis dieser Roman wirklich Fahrt aufnimmt, aber es lohnt sich, dranzubleiben. Als die Geschichte Fahrt aufnimmt, kann man sich nicht mehr von ihr losreißen.


Diverses

Meine Bewertung:

Bewertung: 4 von 5.

Der erste Satz:

Ich schreibe diese Geschichte zur gleichen Zeit, wie ich sie erlebe.

Impressum:

Autor: Robert Merle
Titel: Madrapour
Übersetzung aus dem Französischen: Anna Mudry
Seitenzahl: 306
Verlag: Aufbau Verlag
Erschienen: 2005
© Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1979

2 Kommentare zu „Robert Merle: Madrapour

    1. Sehr gerne! Malevil, Die Insel, Geschützte Männer… die habe ich in meiner Jugend gemocht, es war deshalb auch für mich eine Freude, wieder mal was von ihm zu lesen.

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