Yuval Noah Harari: Fürsten im Fadenkreuz

Yuval Noah Harari Fürsten im Fadenkreuz

„Fürsten im Fadenkreuz“ ist ein früheres Buch von Yuval Noah Harari, das im Original bereits 2007, also etliche Jahre vor seinen Bestsellern „Sapiens“ und „Homo Deus“ erschienen ist. Dass dieses Buch weniger Aufmerksamkeit seitens des Publikums erfahren hat, liegt weniger am Können Hararis, sondern eher an einem Thema, das sicherlich nicht viele (zumindest keine Massen) anspricht. Es geht in diesem Buch nämlich darum, ob es bereits im Mittelalter sogenannte Spezialkräfte oder Spezialeinheiten in der Kriegsführung gegeben hat, und falls ja, wie diese gearbeitet haben. Die erste Frage lässt sich relativ schnell mit einem „Ja“ beantworten, anders wäre es ein ziemlich kurzes Buch geworden. Aber die weit interessantere Frage ist sowieso die zweite: wie haben diese Spezialeinheiten im Mittelalter operiert, was waren ihre Ziele? Inwiefern unterschieden sie sich von den Special Forces, die wir heute kennen?

Obwohl Thema und Fragestellung nicht auf ein breites Lesepublikum abzielen, schrieb Harari das Buch laut eigener Aussage im Vorwort nicht ausschließlich für Fachleute (aber mangels anderer Studien zum Thema auch für sie), sondern für eine allgemeine Leserschaft. Im ersten Kapitel klärt er erst mal, was wir unter Spezialeinheiten verstehen und was deren Ziele heute sind. Dann vergleicht er damit die Spezialeinheiten des Mittelalters, wobei es nur wenige Übereinstimmungen zwischen den beiden gibt. Denn während heute, um nur ein Beispiel zu nennen, gewisse wichtige Waffen zum Zielpunkt eines derartigen Angriffs werden können, gab es im Mittelalter keine Waffe, die so eine Anstrengung wert gewesen wäre. Dafür waren damals, vielleicht noch mehr als heute, einzelne Personen von Interesse. In erster Linie Könige und Fürsten, denn die meisten Kriege hatten eine Erbfrage als Grundlage und wenn der König/Fürst tot oder irgendwo in Gefangenschaft war, gab es auch keinen Grund mehr dafür, weiterzukämpfen. Oft wurden Könige tatsächlich eher gefangen genommen (und dabei sehr human behandelt) als ermordet, was das Mittelalter etwas weniger dunkel erscheinen lässt, als sonstige Informationen über dieses Zeitalter.

Nach dem einführenden Kapitel nimmt sich Harari insgesamt sechs Kommandooperationen vor, die er dann im Detail vorstellt. Diese Geschichten sind unterhaltsam und teilweise sogar richtig spannend. Allerdings – wie Harari es selbst bestätigt – kennen wir heute mangels vertrauenswürdiger Quellen (oder generell Quellen) den genauen Ablauf dieser Operationen nicht mit Sicherheit und unterschiedliche Quellen erzählen sie oft auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Denn auch die mittelalterlichen Autoren hatten ein Gefühl für Dramatik und nicht wenige von ihnen neigten zur Übertreibung.

Obwohl wir hier immer wieder von Spezialeinheiten sprechen, gab es sie in dieser Form im Mittelalter allerdings nicht. Es gab geheime Operationen (mal musste eine Burg nachts eingenommen werden, mal jemand entführt oder eine strategisch gelegene Mühle oder Brücke sabotiert werden), aber die Kämpfer waren nicht für diese Aktionen speziell ausgebildet und hatten auch vor dem Einsatz kein Spezialtraining genossen. Die damaligen Krieger (Ritter, Söldner) waren aber meistens alle geübte Kämpfer, sodass sie ohne große Vorauswahl für eine Sonderaktion rekrutiert werden konnten. Umso erstaunlicher ist es zu lesen, was sie alles geleistet haben. Tatsächlich hatten sie aber in der Form von Verrätern oft Hilfe von der gegnerischen Seite.

„Fürsten im Fadenkreuz“ ist eine unterhaltsame und interessante Lektüre, wenn auch mit einem sehr speziellen Thema. Mir hat das Buch gut gefallen, in erster Linie kann ich es denen empfehlen, die sich für Geschichte, Kriegsführung oder spezifisch für das Mittelalter interessieren.


Diverses

Vielen Dank an dieser Stelle an den C.H. Beck Verlag für das Rezensionsexemplar.

Meine Bewertung:

Bewertung: 4 von 5.

Der erste Satz:

Dieses Buch ist ein erster Versuch, Durchführung und Bedeutung von Geheimoperationen bzw. special operations im Zeitalter des Rittertums zu untersuchen.

Impressum:

Autor: Yuval Noah Harari
Titel: Fürsten im Fadenkreuz
Aus dem Englischen: Andreas Wirthensohn
Seitenzahl: 347
Verlag: C.H. Beck
Erschienen: 2020
© Verlag C.H. Beck oHG

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