„Vaters Wort und Mutters Liebe“ ist die Geschichte der Familie Toimi, die im finnischen Tornedal lebt. Siri und Pentti haben insgesamt vierzehn Kinder, von denen die zwei ersten bereits früh gestorben sind. Zur Zeit des Erzählens dieser Geschichte, Anfang der 1980er Jahre sind die meisten Kinder bereits von zu Hause ausgezogen, nur die Kleinsten Leben noch immer bei den Eltern. Umsorgt werden sie von ihrer Mutter, die alle ihre Kinder liebt, wenn auch nicht alle gleich. Dem Vater versucht man aus dem Weg zu gehen, für ihn scheinen die Kinder nur als kostenlose Arbeitskräfte eine Bedeutung zu haben.

Es ist eine große Aufgabe, die sich die schwedische Autorin gestellt hat. Eine Familiengeschichte mit so vielen Figuren zu erzählen, und zwar so, dass auch die Leser diese Figuren auseinander halten können, ist nicht einfach. Die Personenliste zum Anfang des Romans und das beigelegte Lesezeichen, das die Familienmitglieder auflistet, sind auf jeden Fall hilfreich (und das Lesezeichen wirklich schön). Nina Wähä stellt die Mitglieder der Familie aber insgesamt auf eine Art vor, dass man sich beim Lesen nicht überrumpelt fühlt. Wir lernen immer wieder ein weiteres Kind kennen, während auch die Geschichte weiter erzählt wird. Es ist kein schnelles Buch, die Autorin nimmt sich Zeit, und diese Zeit braucht man auch als Leser. Andeutungen auf zukünftige Ereignisse bauen eine unterschwellige Spannung auf, die erst sehr spät entladen wird – erst als wir alle (fast alle) kennengelernt haben.
Langsam erfahren wir immer mehr nicht nur über die Kinder, aber auch über die Eltern, hier vor allem über die Mutter, Siri. Ihre Kindheit war nicht einfach, auch sie wurde, zumindest von ihrer Mutter, als unerwünschtes, unnützes Kind betrachtet. Dass sie später einen Mann heiraten würde, der sich als Vater so benimmt, hat sie sicher nicht erwartet. Aber ähnlich wie ihre Kinder später, wollte sie irgendwann einfach nur noch weg aus dem Kreis ihrer Familie. Nun steht sie da, mit einem Ehemann, der sich ständig im Stall aufhält und dort wer weiß was mit den Tieren anstellt, der die gemeinsamen Kinder nicht liebt und sie auch definitiv nicht auf eine liebevolle Art gezeugt hat. Siri ist 57 Jahre alt, und die Frage, die sie sich stellen muss, weil ihre Kinder sie dazu bedrängen, ist die, ob sie sich eine Zukunft ohne diesen Mann vorstellen kann.
Die Eltern sind nicht die einzigen, die was ihre Beziehungen angeht, Probleme haben oder gar in einer Sackgasse stecken. Vielleicht mit Ausnahme der kleineren haben alle Schwierigkeiten damit, ihre Gefühle auszudrücken oder sie überhaupt zu erkennen und zu verstehen. Das führt bei mehreren bei ihnen zu unterschiedlichen Begegnungen mit Gewalt, sei es durch ihre eigene Hand oder in ihren Partnerbeziehungen. Trotzdem nehmen sie sich die Zeit, sich ihrer Mutter zuzuwenden, denn die Person, die ihnen so viel Liebe gegeben hat, soll es mal besser haben. Und vielleicht gibt ihr Glück auch den Kindern die Hoffnung, ihr eigenes Leben in den Griff zu bekommen.
Nina Wähä hat mich mit diesem Buch mehrfach überrascht. Einerseits habe ich nicht erwartet, dass mir ein Familienroman etwas Neues geben und mir gefallen kann. Andererseits war ich die ganze Zeit überzeugt, das Werk einer finnischen Autorin zu lesen – dabei ist die Autorin eine Schwedin. Nach Mikael Niemis „Wie man einen Bären kocht“ war es nun also bereits das zweite schwedische Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe und das macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Übrigens gibt es sogar eine kleine Verbindung zwischen den beiden Büchern, da der Held von Niemis Roman, Lars Levi Laestadius eine Bewegung geschaffen hat, die bis heute Anhänger hat. So tauchen in „Vaters Wort und Mutters Liebe“ immer wieder Laestadianer auf.
An dieser Stelle bleibt mir nichts anderes übrig, als dieses Buch zum Lesen zu empfehlen.
Diverses
Herzlichen Dank an dieser Stelle an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.
Meine Bewertung:
Der erste Satz:
Diese Geschichte ist nichts anderes als die Geschichte eines Mordes.
Impressum:
Herausgeber: Nina Wähä
Titel: Vaters Wort und Mutters Liebe
Übersetzung aus dem Schwedischen: Antje Rieck-Blankenburg
Seitenzahl: 544
Verlag: Heyne Hardcore
Erschienen: 2020
© Wilhelm Heyne Verlag
Ein Kommentar zu „Nina Wähä: Vaters Wort und Mutters Liebe“