Seit Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, hat sich vieles verändert. Der einstmals machtvollste Staat wirkt verloren. Allen voran ist es die innere Spaltung der Nation, die unüberwindbar scheint. Es kann zu keinen Gesprächen zwischen den Seiten kommen, so grundverschieden sind ihre Weltsichten. Die zwei deutschen Journalisten, Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby folgen ihrem Buch Trumps zweiten Wahlkampf, und versuchen dabei die Gründe für diese Spaltung aufzudecken. Dabei reden sie mit Menschen auf beiden Seiten um zur Wahrheit zu gelangen, aber gerade das, nämlich eine Wahrheit, scheint es heute nicht mehr zu geben.
Wir leben in Zeiten, in denen selbst das, was zweifelsfrei wahr und dokumentiert ist, doch bestritten werden kann.
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Die Medien, die eigentlich Berichte erstatten und informieren sollten, spielen inzwischen in Amerika eine zentrale Rolle. Trump hat sie zu den Feinden gemacht (zumindest diejenigen, die nicht auf seiner Seite standen), von „Fake News“ ist die Rede und viele Amerikaner sind heute tatsächlich davon überzeugt, dass in den Nachrichten gelogen wird. CNN & Co werden deshalb von Trumps Unterstützern nicht nur verdammt, sondern oft auch bedroht. Bei großen Kundgebungen, Wahlkampfveranstaltungen werden deshalb die Pressevertreter hinter eine Absperrung gestellt. Zur eigenen Sicherheit, versteht sich. Die Presse als Feind darzustellen ist nicht neu in der amerikanischen Politik – Nixon hat das auch schon versucht, nur wurde er dann schließlich doch von Journalisten übergeführt. Damals hatte es ein Präsident jedenfalls viel schwerer, wenn er bei einer Lüge ertappt wurde. Trump hat nachweislich viele Tausende von Unwahrheiten in den Raum (oder sein Twitter-Feed) gestellt, bis jetzt ohne Folgen.
Die beiden Autoren lassen viele Personen zu Wort kommen. Darunter Sebastian Gorka, der zu Beginn von Trumps Amtszeit sein Berater war und nun wieder als solcher fungiert. Von der rechtsradikalen Website Breitbart ins Weiße Haus? Das lässt heute leider kaum mehr jemanden zusammenzucken. Brinkbäumer und Lamby sprechen auch mit Anthony Scaramucci, der ganze 11 Tage lang Trumps Kommunikationsdirektor war und heute einer seiner schärfsten Kritiker ist. Sie sprechen sogar mit Paul Auster, was zwar im Buch keine sehr große Rolle spielt, aber als Fan des Autors kann ich das doch nicht unerwähnt lassen. Beim Besuch von Trumps Wahlkampfveranstaltungen lassen sie auch einige von Trumps Wählern zu Wort kommen lassen – diese sprechen von einem Bürgerkrieg, sollte Trump nicht wiedergewählt werden. Die Waffen hätten sie ja dafür.
Es ist kein angenehmes Buch, aber ein wichtiges und interessantes. Die Autoren gehen Fragen nach, wie zum Beispiel warum Trump überhaupt gewählt wurde und warum die Republikaner ihm treu bleiben. Ein großes Thema ist natürlich Covid-19. Inzwischen sind über 200.000 Menschen in den USA daran gestorben, wir gehen gerade auf die 230.000 zu. Doch noch immer scheint es weniger darum zu gehen, gegen das Virus aufzutreten, sondern darum, wie man die Situation für die eigene Politik am besten nutzen kann. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Rassismus in den USA. Demonstranten droht Trump, das Militär gegen sie einzusetzen – das ist Kriegsführung im eigenen Land.
Eine wichtige Frage, die im Buch gestellt wird, ist, welche Rolle die Medien in all dem spielen. Nicht nur als Feindbilder, sondern auch als die Plattform, die Trumps Aufstieg überhaupt erst ermöglicht hat, denn Trump bekam „sehr viel mehr Sendezeit als alle anderen Bewerber und Bewerberinnen“ (Seite 80). Die Autoren sehen eindeutig eine Verantwortung – selbst bei Trump-kritischen Medien – für seinen Aufstieg.
In wenigen Tagen wissen wir, ob die USA einen neuen Präsidenten haben oder nicht. Dieses Buch zu lesen lohnt sich unabhängig von dem Ergebnis, um die aktuelle Situation in den USA besser zu verstehen.
Diverses
Vielen Dank an dieser Stelle an den C.H. Beck Verlag für das Rezensionsexemplar.
Der erste Satz:
Es erklang glockenklar, kein Misston in der Nähe, nur die lauschende Stille: das Geständnis aus dem Zentrum der Macht.
Impressum:
Autor: Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby
Titel: Im Wahn
Seitenzahl: 391
Verlag: C.H. Beck
Erschienen: 2020
© Verlag C.H. Beck oHG