Als ich „Walden“ vor vielen Jahren das erste Mal las, hat es mich sehr beeindruckt. Und ich bin überzeugt davon, dass es zum Teil dafür verantwortlich ist, dass ich mich danach sehne, näher an die Natur zu leben oder zumindest einen Garten zu haben. Der Manesse Verlag hat nun eine wunderschöne Ausgabe veröffentlicht, die mich erneut nach diesem Buch greifen ließ. Das Leseerlebnis war aber diesmal – leider – eine ganz andere.
Im März 1845 zog Thoreau in die Nähe des Walden-Sees. Er baute mit den eigenen zwei Händen ein kleines Häuschen für sich und lebte über zwei Jahre lang da, relativ weit entfernt von anderen Menschen und vor allem von der Stadt („relativ“, weil er eigentlich gar nicht so sehr von anderen abgeschnitten war und sich auch über die Nähe der Eisenbahn beschwert). Er verbrachte seine Zeit in der Natur, konnte stundenlang einfach nur da sitzen und der Tier- und Pflanzenwelt zuschauen. Er hatte einen kleinen Garten, der ihn mit Gemüse versorgte und dazu beitrug, dass er einiges verkaufen konnte, um so an Dinge zu kommen, die er nicht selbst erwirtschaften konnte. Einige Jahre später fasst er seine Erlebnisse im vorliegenden Buch zusammen.

„Walden“ ist über die Jahre zu einem Symbol geworden. Ein Symbol für den Minimalismus, ein Symbol für Naturverbundenheit. Ein Symbol des Menschen, der die Zivilisation hinter sich lässt und aus eigener Kraft mitten in der Natur alles erschafft, was er zum Leben braucht. Und als Symbol hat dieses Buch Bestand und wird das sicherlich noch lange haben. Denn das, was Thoreau Mitte des 19. Jahrhunderts getan und in Worte gefasst hat, ist auch heute noch ein Traum für viele. Dem Leben in der Stadt den Rücken kehren, keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen. In einem kleinen Haus leben, das gerade mal die minimalsten Bedürfnisse erfüllt. Kein Stress mehr, keine Maschinen um einen herum, kein Verkehr, keine Menschenmengen.
Die meisten der sogenannten Annehmlichkeiten des Daseins sind nicht nur entbehrlich, sie sind geradezu ein Hemmnis für die Höherentwicklung der Menschheit.
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Mein Problem mit dem Buch war nicht das Thema und nicht unbedingt die Aussagen. Ein wahrlich minimalistisches Leben oder zumindest eine Auszeit aus dem Alltag ist auch für mich etwas Erstrebenswertes. Und mich verblüfft immer, wenn ich dieses Buch in die Hand nehme, dass Thoreau bereits vor 175 Jahren von der Schnelligkeit unseres Alltags genug hatte. Maschinen überall, und wozu dient das alles nur? Um Dinge schneller zu erledigen? Um was mit der so gewonnenen Zeit anzustellen? Doch die Art und Weise, wie Thoreau seine Ansichten darstellt, wirkte jetzt beim nochmaligen Lesen nicht wirklich sympathisch. Trotz Thoreaus Beteuerung, dass er nur erzählen will, was er erlebt hat, wirken seine Sätze wie Belehrungen. Als würden alle, die es nicht so sehen und so machen, wie er, alles falsch machen. Das störte mich diesmal und wunderte mich gleichzeitig, weil es mir zuvor gar nicht aufgefallen ist. Vielleicht liest man ja mit den Jahren einfach nur anders, als wenn man noch jung ist.
Bin jetzt schon gespannt, wie es mir gefallen wird, wenn ich es noch mal zwanzig Jahre lang ruhen lasse und es dann wieder in die Hand nehme.
Diverses
Herzlichen Dank an dieser Stelle an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.
Der erste Satz:
Als ich das Folgende – jedenfalls den größten Teil davon – niederschrieb, lebte ich allein im Wald, mehr als einen Kilometer vom nächsten Nachbarn entfernt, in einem selbst gezimmerten Haus am Ufer des Walden-Sees bei Concord, Massachusetts, und verdiente mir meinen Lebensunterhalt ausschließlich mit meiner Hände Arbeit.
Impressum:
Autor: Henry David Thoreau
Titel: Walden
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Fritz Güttinger
Seitenzahl: 608
Verlag: Manesse
Erschienen: 2020
© Manesse Verlag