Der Mensch ist das einzige Wesen auf Erden, das genug Macht hat, Welten erst zu erschaffen und sie dann zu zerstören.
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In seinem neusten Buch reflektiert David Attenborough über sein Leben und über die Veränderungen in der Natur, die praktisch vor seinen Augen passiert sind. Mit seinen 93 Jahren kann er auf eine lange Zeit zurückblicken und durch seine Arbeit, die ihn rund um den Globus geführt hat, hat er einen besseren Einblick als die meisten von uns.
In der Einführung erzählt er über Prypjat, eine einst blühende Stadt in der Sowjetunion. Bekannt wurde sie, als das Atomkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 explodierte. Ein Ereignis, das nicht nur eine Stadt, sondern ganz Europa erschütterte. Menschliche Fehler führten zu einer Umweltkatastrophe, die nach Schätzungen wohl die kostenintensivste war bis jetzt. Doch wie Attenborough feststellt, breitet sich die wahre Tragödie erst jetzt über den ganzen Globus aus: die schwindende Vielfalt auf unserem Planeten.
Allerdings ist dies ein Problem, das uns nicht wirklich bewusst ist, eigentlich nur dann, wenn wir uns tatsächlich die Zahlen anschauen, die Entwicklung über Jahrzehnte. Die Bevölkerung wächst, die Wildnis schrumpft, Arten verschwinden, die Eismassen an den Polen schmelzen dahin. Das uns diese gewaltigen Veränderungen nicht wirklich bewusst sind, liegt am sogenannten Shifting Baseline Syndrom: „Jede Generation definiert das Normale mit Bezug auf die eigenen Erfahrungen.“ (Seite 98) Wir erwarten weniger Fische aus den Meeren, weil das unsere Erfahrung ist und nie selbst erfahren haben, wie reich die Meere und Ozeane früher gewesen sind. Auch Attenborough hat lange dafür gebraucht, die Probleme zu merken. Seit Mitte der 50er Jahre dreht er Naturfilme, war immer fasziniert von der Vielfalt unseres Planeten. Doch nach und nach wurde ihm bewusst, dass es die wahre Wildnis gar nicht mehr gibt und dass auch die letzten Reste unberührter Natur drastisch dahinschwinden.
Wir haben die Wildnis gezähmt. 96 Prozent der Masse aller Säugetiere der Erde bestehen aus uns Menschen oder werden von uns zum Essen gezüchtet. Alle wilden Säugetiere des Planeten machen gerade mal 4 Prozent aus! Wir roden die für uns alle lebenswichtigen Regenwälder, um die so gewonnenen Landflächen zu bewirtschaften und zum Beispiel Sojaanbau zu betreiben. 70 Prozent vom Soja dient als Futter für Nutztiere.
Mit unserem Handeln machen wir die Erde kaputt. Monokulturen ersetzen die Vielfalt, die der Regenwald bietet. Und es sterben dadurch nicht nur Tierarten aus, denn all das trägt letztendlich zur Erderwärmung bei.
Sorgen machen sollten wir uns nicht unbedingt um die Tiere, oder die Natur. Die Natur erholt sich mit oder ohne uns, das zeigt uns gerade das Beispiel von Prypjat, eine menschenleere Stadt, in der längst nicht gesehene wilde Tiere gedeihen und alles grün bewachsen ist. Worum es geht ist unsere eigene Zukunft.
Das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, und ich bin sehr froh, dass es einen so großartigen Fürsprecher wie David Attenborough gefunden hat. Er tut mehr, als die Probleme aufzuzeigen. Er wagt auch einen Blick in die recht düstere Zukunft – was würde jemand erleben, der heute geboren und so lange leben würde, wie er? Was aber noch wichtiger ist: Er zeigt Lösungsansätze auf. Es ist noch nicht zu spät, alles umzukehren. Und nicht nur Regierungen haben die Macht etwas zu unternehmen, sondern jeder einzelne von uns.
Das Buch ist parallel zum Dokumentarfilm „Mein Leben auf usnerem Planeten“ (auf Netflix zu sehen) entstanden, der ebenso empfehlenswert ist. Während der Film mit Bildgewalt wirkt, erlaubt es das geschriebene Medium, mehr in Detail zu gehen.
Mit dieser Buchempfehlung schließe ich das Jahr 2020, ich denke, das passt sehr gut. Wir sehen uns 2021!
Diverses
Herzlichen Dank an dieser Stelle an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.
Der erste Satz:
Prypjat in der Ukraine ist anders als alle Orte, an denen ich jemals gewesen bin.
Impressum:
Autor: David Attenborough
Titel: Ein Leben auf unserem Planeten
Aus dem Englischen: Alexandra Hölscher
Seitenzahl: 304
Verlag: Blessing
Erschienen: 2020
© Karl Blessing Verlag