Mit „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ war Yuval Noah Harari der große Durchbruch gelungen, das Buch ist zu einem weltweiten Bestseller geworden. Als David Vandermeulen und Daniel Casanave – beide Comicautoren – mit der Idee an ihn herantraten, sein Erfolgsbuch in eine Graphic Novel umzuwandeln, war er davon sehr angetan. Einfach erwies sich die Unternehmung nicht, denn nur alleine mit Zeichnungen und kurzen Texten die Menschheitsgeschichte amüsant zu erzählen ist nicht einfach. Und eine Graphic Novel hat andere Anforderungen als Sachbücher. Es muss ein Erzählrahmen erschaffen werden, das Buch soll unterhaltsam und gleichzeitig lehrreich sein. Es wäre eine Sache der Unmöglichkeit gewesen, die ganze Geschichte in ein Buch zu packen, somit ist „Sapiens – Das Aufstieg“ der Auftakt einer vierteiligen Reihe.
Es mussten Figuren erschaffen werden, die es im Original nicht gab, und obwohl Teile des Textes aus dem Buch übernommen werden konnten, musste vieles an das neue Format angepasst oder erst geschrieben werden. Der Autor, Harari, tritt in der Graphic Novel als der Erzähler auf, er ist die einzige Figur, die den Leser von Anfang bis Ende begleitet. Er trifft auf weitere Figuren, so ist zum Beispiel seine Nichte, Zoe am Anfang mit dabei. Die meisten Figuren sind fiktional und stehen Teilweise als Vertreter größerer Gruppen Rede und Antwort, so Prehistorik Bill und Cindy für die Homo Sapiens.
In diesem ersten Teil geht es darum, warum gerade Homo Sapiens die Welt regiert. Wir gehen zurück in eine Zeit, in der der Mensch auch nur ein Tier war und keineswegs besser, schneller, klüger als andere Tier um ihn herum. Was hat den entscheidenden Unterschied bedeutet? Und wie haben die ersten Menschen gelebt?
Die Autoren erzählen diese Geschichte mit sehr viel Humor und sind ausgesprochen kreativ, wenn es darum geht, komplexe Ideen vereinfacht darzustellen. Das bedeutet zwar Einbußen, wenn es um die Wissenschaftlichkeit des Buches geht, aber wenn wir die Graphic Novel als ersten Schritt dazu sehen, das Originalwerk zu lesen oder generell tiefer ins Thema einzusteigen – und so sollte es sein -, dann ist das natürlich akzeptabel.
Aber genau das war für mich die große Frage, als ich dieses Buch gelesen habe. Wer ist die Zielgruppe? Da es ein großes und schweres Buch ist, könnte man Kinder eigentlich ausschließen, das Auftauchen der kleinen Nichte in der Geschichte spricht aber doch dafür, dass Kinder angesprochen werden sollen. Sie verschwindet aber relativ schnell wieder, womit auch die Rahmenhandlung (der Onkel hilft seiner Nichte auf spielerische Art große Fragen zu beantworten) in Schwankung gerät. Harari fährt danach hier und her, trifft andere Wissenschaftler, mit denen er sich bei einem Podiumsgespräch und beim Abendessen unterhält. Dieser Rahmen macht die Geschichte für eine kurze Zeit realistischer, aber dann gerät wieder alles aus den Fugen und ein militaristischer, harter Polizist (oder Polizistin?) taucht auf, um Prehistorik Bill und Cindy zu verhaften. Das läutet eine zwar wichtige, aber zumindest für mich langwierige Verfolgungsjagd und Gerichtsverhandlung ein, deren Ausgang von Anfang an absehbar ist.
Eine verrückte Reise, die trotz einiger Unstimmigkeiten Spaß macht. Mir haben vor allem die wirklich grenzenlose Kreativität und die tollen Zeichnungen und der Humor gefallen, fand es aber auch wieder einmal beeindruckend, wieviel besser, eindrücklicher man Wissen mithilfe von Bildern vermitteln kann. Text und Zeichnungen zusammen bleiben meiner Erfahrung nach viel eher haften, als nur das eine oder das andere. Wobei das sicherlich auch eine persönliche Art des Memorierens ist und nicht bei allen auf die gleiche Weise funktioniert. Ob mir das reicht, den zweiten Teil zu lesen? Wohl eher nicht, aber ich habe auf jeden Fall Lust auf weitere Graphic Novels bekommen.
Diverses
Vielen Dank an dieser Stelle an den C.H. Beck Verlag für das Rezensionsexemplar.
Der erste Satz:
Vor Rund 14 Millionen Jahren entstanden Materie, Energie, Raum und Zeit in einem Ereignis namens Urknall.
Impressum:
Autor: Yuval Noah Harari
Titel: Sapiens – Das Aufstieg
Aus dem Englischen: Andreas Wirthensohn
Seitenzahl: 248
Verlag: C.H. Beck
Erschienen: 2020
© Verlag C.H. Beck oHG
Ein Kommentar zu „Yuval Noah Harari: Sapiens – Der Aufstieg“