Benedict Wells: Hard Land

Benedict Wells Hard Land

Es brauchte nicht viel, um mich zu überzeugen, dass ich dieses Buch lesen muss. Denn auf der Rückseite wird es als „Hommage an 80’s Coming-of-Age-Filme wir The Breakfast Club und Stand By Me“ beschrieben, zwei meiner Lieblingsfilme. Und auch sonst sind mir die 80er wichtig, ganz besonders die Musik, die mich bis heute begleitet und zu meiner innersten Komfortzone gehört. Es scheint aber generell eine Nostalgie im Bezug auf dieses Jahrzehnt zu geben, das zeigen die erfolgreichen Netflix-Serien Stranger Things und Dark, sowie etliche Reboots und Neuverfilmungen (man denke an Cobra Kai zum Beispiel). Doch der neue Roman von Benedict Wells ist mehr als nur ein weiterer Reiter auf dieser Nostalgiewelle, wenn es denn überhaupt nostalgisch sein will.

Die Geschichte spielt 1985, also ein Jahr nach Benedict Wells‘ Geburt, in einer Kleinstadt in Missouri. Der fünfzehnjährige Sam hat es nicht leicht: Seine Eltern wollen ihn über den Sommer zu Verwandten verfrachten und seine Mutter ist schwer krank. Bereits aus dem ersten Satz erfahren wird, dass sie im Laufe dieses Sommers sterben wird. Da kommt Sam der Ferienjob im örtlichen Kino gelegen, er kann zuhause bleiben und sogar die hübsche Tochter des Eigentümers besser kennenlernen. Bei Mädchen hatte er bis jetzt wenig (gar keinen) Erfolg und auch sonst ist er eher schüchtern. Er schafft es trotzdem, sich über den Sommer nach und nach mit den anderen im Kino anzufreunden und zum ersten Mal in seinem Leben findet er wahre Freunde.

Trauer ist kein Sprint, Trauer ist ein Marathon. Und auf dieser Strecke gab es Stellen, an denen es besser lief, und andere, an denen ich kaum Luft bekam.

Seite 274

An sich eine simple Geschichte, doch Benedict Wells schreibt nicht nur wunderbare Sätze, er schafft es, dass wir beim Lesen mit Sam tief mitfühlen. Wir sind dabei, als er sich das erste Mal verliebt und wir sind dabei, als er seine Mutter verliert und seine Trauer bewältigen muss. Er lernt viel über Freundschaft, Verantwortung und Familie und man kann nicht anders, als trotz all seiner Schwierigkeiten eine Sehnsucht nach seinen Erfahrungen zu entwickeln. Die erste Liebe, die ersten echten, tiefgründigen Gespräche mit Freunden – wenn man sie erlebt hat, dann möchte man sie nun wieder zum ersten Mal erleben, wer das alles noch nicht kennt, der wünscht sich das alles herbei.

Ich stellte mir vor, dass das eigene Ich aus vielen Puppen bestand, aus mutigen und ängstlichen und stillen und lauten, und überall hingen Fäden. Doch man konnte nicht sehen, wer sie in der Hand hielt. Wer der innere Puppenspieler war.

Seite 172

Sehnsucht war das Wort, das mir beim Lesen immer wieder in den Sinn kam. Nicht unbedingt nach den 80ern, auch nicht nach der Vergangenheit, sondern nach diesen „ersten Male“. Wie die Jahre vergehen, umso weniger ersten Male gibt es, und für manches ist es dann vielleicht irgendwann auch zu spät. Darin liegt auch der Reiz der oben genannten Coming-of-Age-Filme, wir wollen etwas wieder (oder neu) erleben, was wir verloren oder vergessen haben. Vielleicht liegt dieses „Vergessen“ auch daran, dass wir erst in späteren Jahren in der Lage sind, echte Selbstreflexion zu betreiben und bis dahin sind die intensiven Erfahrungen der Jugend verblasst. Benedict Wells gelingt es, das Besondere der Teenagerjahre wieder greifbar zu machen und den Wunsch nach intensiven, neuen Erlebnissen zu wecken. Eine unbedingte Leseempfehlung.


Diverses

An dieser Stelle möchte ich an einen besonderen Aufruf von Benedict Wells verweisen: Bitte kauft eure Bücher in örtlichen Buchhandlungen und fragt auch nach Debütromanen!

Der erste Satz:

In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.

Impressum:

Autor: Benedict Wells
Titel: Hard Land
Seitenzahl: 352
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2021
© Diogenes Verlag

6 Kommentare zu „Benedict Wells: Hard Land

    1. Das war auch mein erstes von ihm und war erst auch skeptisch, weil er und seine Bücher immer so gehyped werden. Aber dieses Buch nahm mir an einem Punkt jede Skepsis, ab da konnte ich es nur lieben.

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