Moritz Heger: Aus der Mitte des Sees

Moritz Heger Aus der Mitte des Sees

Wir haben insgesamt noch nicht viel gesprochen. In meinem Kopf mindestens dreimal so viel wie in Wirklichkeit.

Seite 70

Ein Kloster in der Nähe eines Sees, hier lebt Bruder Lukas bereits seit 16 Jahren. Nun hat sein bester Freund das Kloster verlassen, um eine Familie zu gründen. Lukas macht sich nun Gedanken, ob er den richtigen Weg gewählt hat. Er ist bald 40, Mönch wurde er, um komplizierten Fragen in seinem Leben auszuweichen. Nun kann er es nicht mehr aufschieben, doch einige dieser Fragen für sich zu beantworten. Dies wird besonders dringend, als Sarah auftaucht, eine Frau, die die Möglichkeit eines anderen Weges bietet. Im Kloster leben außer Lukas nur noch ältere Mönche, die Lukas und weitere junge Mönche händeringend brauchen, um das Kloster aufrechtzuhalten. Lukas wird hier also gebraucht. Wie wird er sich entscheiden?

Um diese Frage dreht sich letztendlich der Roman von Moritz Heger, wobei er auf dem Weg zur Antwort viele andere Fragen aufwirft. Lukas geht täglich an den See und denkt nach. Beim Schwimmen kann er besonders gut seinen Gedanken nachhängen, aber auch die Gespräche mit Sarah helfen ihm. Wobei er die meisten Gespräche – mit Sarah, mit Andreas, der das Kloster verlassen hat, mit Bruder Alban, der im Krankenhaus liegt – führt er in seinem Kopf. Das ist etwas, was viele von uns kennen, Gespräche, die nur in unseren Köpfen stattfinden, mit Menschen, mit denen wir uns auch unterhalten könnten. Doch in der Wirklichkeit würden sich diese Gespräche nie so abspielen, denn nur auf diese einseitige Art der Unterhaltung können wir alle Fragen selber stellen und auch die Antworten für uns formulieren. Lukas könnte sicherlich genauso auch mit Gott sprechen, doch das tut er nicht. Oder zumindest lässt uns dieses Buch an den Gesprächen nicht teil.

Bleiben heißt Benediktiner sein – gehen heißt Individuum sein. Ist es nicht so einfach?

Seite 25

Die Suche nach dem richtigen Lebensweg ist eine Frage, die jeden beschäftigt, dafür muss man nicht in einer schwarzen Mönchskutte stecken. Und das ist es, was diesen Roman auch für diejenigen interessant und lesenswert macht, die nicht gläubig sind. Denn es geht hier nicht um Glaubensfragen, es geht um Entscheidungen im Leben, die auf Vieles eine Auswirkung haben. Doch woher sollen wir wissen, welcher Weg der Richtige ist? Kann man das überhaupt wissen? Sollte man einfach auf seine Gefühle hören und entsprechend agieren, oder die Logik in allem suchen?

Moritz Heger hat Theologie studiert und lehrt heute als Gymnasiallehrer Deutsch und Evangelische Religion. Die Idee zu diesem Buch kam ihm, als er sich als Gast in einem Kloster aufhielt. Er hielt sich also beim Themenwahl an die Devise, dass man darüber schreiben sollte, was man kennt. Und das merkt man, denn auch wenn ich keine persönlichen Kenntnisse über das Leben in einem Kloster habe, wirken die Figuren lebendig, echt, menschlich – genauso, wie ihre Probleme.

Besonders beeindruckend am Buch ist die Sprache. Ich kann es nicht anders beschreiben, als würden wir mit Lukas uns auch in dieses tiefe Wasser begeben, als würden wir seinen gleichmäßigen Rhythmus beim Schwimmen aufnehmen. Obwohl er über die wirklich großen Fragen des Lebens lamentiert, strahlt das Buch eine besondere Ruhe aus. Steckt Lukas in eine Krise? Gewiss. Lässt er sich davon unterkriegen? Keine Sekunde. Er denkt nach, stellt sich Fragen, sucht Antworten, und tut das mit der Ruhe eines Menschen, der am Ende mit jeder Antwort zufrieden ist, egal, was am Ende dabei herauskommt. Beneidenswert.


Diverses

Vielen Dank an dieser Stelle an den Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.

Der erste Satz:

Die Basilika steht am Grund des Sees.

Impressum:

Autor: Moritz Heger
Titel: Aus der Mitte des Sees
Seitenzahl: 256
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2021
© Diogenes Verlag

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