Tel Megiddo sagt den meisten wahrscheinlich nicht besonders viel. Doch wenn man den Namen Armageddon hört, denkt man sofort an die endzetliche Entscheidungsschlacht aus der Bibel oder an König Salomo (na ja, manche sicherlich auch an Bruce Willis). Und genau diese Stadt wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Megiddo entdeckt. Dieser Entdeckung geht in seinem neusten Buch der bekannte Archäologe Eric H. Cline nach. In diesem Buch widmet er sich allerdings weniger der Geschichte Armageddons und konzentriert sich auf die Ausgräber. Denn deren Geschichte ist ebenfalls sehr spannend.
Vielleicht liegt es an der Grabungsstätte, das sich diese Ausgrabung so ereignisreich entwickelt hat. In dem Hügel von Megiddo wurden die Reste von insgesamt 20 antiken Städten entdeckt, deren Geschichte sich über die Jahrtausende zwischen 5000 v. Chr. und 300 n. Chr. erstreckt. Viele dieser Städte wurden gewaltsam zerstört. Darf man sich dann wundern, dass ihre Entdeckung ebenfalls mit Zwietracht, Auseinandersetzungen und Gewalt verbunden ist?
In gewisser Weise scheint es durchaus passend, dass ein Ort, wo in den vergangenen 4000 Jahren so viele Schlachten geschlagen wurden, nun wieder zum Schauplatz einer Handfesten Auseinandersetzung wurde – um die Kontrolle über die Ausgrabungen, die seine Geheimnisse aufdecken sollten.
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Der Autor hat selbst viele Jahre lang an der Ausgrabung in Megiddo gearbeitet, von 1994 bis 2014, zuletzt als zweiter Grabungsleiter neben Israel Finkelstein, der bis heute die Ausgrabungen leitet. Seinen Blick richtet Cline aber nicht auf die eigenen Erfahrungen, sondern in die Vergangenheit, und erzählt die Geschichte der Grabungskampagne, die 1925 gestartet und durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu einem Ende kam. Obwohl es zu der Zeit bereits viele großartige archäologische Entdeckungen gegeben hat, wurde die Archäologie selbst noch lange nicht auf dem Niveau betrieben, wie heute. Gerade Megiddo ist einer der Orte, der immer wieder zur Weiterentwicklung dieser Disziplin gesorgt hat, mit neuen Ideen und neuen Methoden. Anstelle von Archäologen wurden öfter mal Architekten für die Arbeiten eingestellt, und sie erwiesen sich als sehr geeignet für die Aufgabe. Cline gibt in seinem Buch faszinierende Einblicke in die Entwicklung der archäologischen Arbeiten – wer aber darüber noch mehr erfahren möchte, sollte unbedingt sein großartiges Werk „Versunkene Welten und wie man sie findet“ lesen.
So gut die Mitarbeiter aber auch waren, durch die Auswahl der Grabungsleiter (die sich als ehen ungeeignet für die Aufgabe erwiesen) kam es immer wieder zu Spannungen und sogar tätlichen Auseinandersetzungen. Man muss bedenken, dass an so einer Ausgrabung viele Menschen teilnehmen, in Megiddo sprechen wir teilweise von 200 Leuten. Es gibt viele einzelne Tätigkeiten zu überwachen und anzuleiten. Dabei muss der Grabungsleiter nicht nur den Überblick bewahren, sondern auch darüber immer wieder Entscheidungen treffen, wer was macht, wo gegraben werden soll und wo nicht. Und das bei Termindruck, Hitze, Mitarbeitern, die miteinander nicht auskommen – und den Erwartungen der Geldgeber und Chefs, die aus weiter Entfernung ihre Anweisungen mitteilen.
Nicht anders war es in Megiddo, wo auch die Malaria das Leben der Mitarbeiter erschwerte. Das eigentliche Problem scheint aber tatsächlich die Auswahl der jeweiligen Grabungsleiter gewesen zu sein. Denn diese kamen entweder mit allen anderen nicht aus, oder hatten keine Lust, Berichte oder gar Bücher über ihre Entreckungen zu schreiben. Wie ein roter Faden zieht sich das durch die Geschichte, der eine Grabungsleiter geht, der neue kommt, doch besser wird es nur zum Ende hin.
Es ist eine interessante, wenn auch ungewöhnliche Lektüre. Parallel zur Geschichte der Ausgräber erfahren wir auch immer wieder, was sie in der jeweiligen Grabungssaison gefunden haben, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf den Menschen, die hier gearbeitet haben. Das wird, glaube ich, nur eine kleine Leserschaft wirklich interessieren – wahrscheinlich am meisten diejenigen, die selbst an einer archäologischen Stätte arbeiten oder irgendeine Beziehung zu Megiddo haben. Da ich früher davon geträumt habe, Archäologin zu werden, fand ich es sehr interessant, mal die „Schattenseite“ zu sehen, empfand es teilweise aber auch eher unangenehm, über die persönlichen Querelen der Ausgräber zu lesen. Mein Interesse an Megiddo / Armageddon ist aber geweckt, zumindest al Tourist die Stätte zu besuchen, und den Archäologen zuzuwinken…
Diverses
Herzlichen Dank an dieser Stelle an den wbg Theiss Verlag für das Rezensionsexemplar.
Der erste Satz:
Das ganze Jahr über bietet sich jeden Morgen dasselbe Schauspiel: Kurz nach 9 Uhr treffen die ersten Reisebusse in Megiddo ein, denen jeweils 50 Touristen entsteigen.
Impressum:
Autor: Eric H. Cline
Titel: Armageddon. Auf der Suche nach der biblischen Stadt Salomos
Übersetzung aus dem Englischen: Cornelius Hartz
Seitenzahl: 416
Verlag: wbg Theiss
Erschienen: 2021
© wbg Theiss Verlag